C. Kohler:
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Sonderstellung staatseigener Unternehmen im Europäischen Zivilprozessrecht? (EuGH, S. 543) |
500 |
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In der Rechtssache C-302/13, flyLAL-Lithuanian
Airlines, entschied der EuGH, dass eine Klage auf Ersatz des Schadens,
welcher der Klägerin aus einer Verletzung der EU-Wettbewerbsvorschriften durch
zwei lettische Gesellschaften, Starptautiskā
Lidosta Rīga und Air Baltic,
entstanden sein soll, zivil- und handelsrechtlicher Natur ist. Daran ändert
nichts, dass der Wettbewerbsverstoß mit der Gebührenpraxis der beklagten
Flughafengesellschaft Riga verknüpft ist, die auf lettischen Rechtsvorschriften
beruht, und dass die beklagten Gesellschaften ganz oder teilweise im lettischen
Staatsbesitz stehen. Ferner präzisiert der EuGH, aus welchen Gründen die Anerkennung
und Vollstreckung von Sicherungsmaßnahmen wegen Verstoßes gegen den ordre public des Zweitstaates versagt
werden kann. Hierzu gehört nicht die Berufung auf schwerwiegende
wirtschaftliche Folgen für Unternehmen, die im Staatsbesitz stehen. Der
Verfasser begrüßt die Entscheidung, mit der klargestellt wird, dass für
staatseigene Unternehmen im Europäischen Zivilprozessrecht keine Sonderregelung
gilt. Er fügt hinzu, dass das kurz nach dem Urteil C-302/13 erstattete
Gutachten 2/13 des EuGH zum EMRK-Beitritt der EU an der Bedeutung der ordre public-Klausel der Brüssel I-VO
grundsätzlich nichts geändert hat. |
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F. Wedemann:
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EuGVVO oder EuInsVO bei gesellschaftsrechtlichen Haftungsklagen? (EuGH, S. 548) |
505 |
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Gesellschaftsrechtliche Haftungsklagen bilden im internationalen
Zivilverfahrensrecht eine reichhaltige Quelle schwieriger Abgrenzungsfragen.
Der EuGH erschließt die Problematik Schritt für Schritt. Das Urteil in der
Rechtssache G.T. GmbH setzt eine
wichtige Wegmarke. In seinem Zentrum steht die Frage: Bemisst sich bei der
gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen aus § 64 Satz 1 GmbHG die
internationale Zuständigkeit nach der EuGVVO – auch: Brüssel Ia-VO – oder der
EuInsVO? Die Ausführungen des EuGH liefern nicht nur Antworten in Bezug auf §
64 Satz 1 GmbHG, sondern geben auch entscheidende Orientierung für die
Demarkation der Anwendungsbereiche von EuGVVO und EuInsVO bei anderen
Haftungstatbeständen. |
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F. Temming:
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Zum Anwendungsbereich der Vorschriften über die internationale Zuständigkeit für individuelle Arbeitsverträge (LAG Düsseldorf, S. 551) |
509 |
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In der Entscheidung des LAG Düsseldorf geht es um die Frage, ob und
unter welchen Voraussetzungen Handelsvertreter Arbeitnehmer i.S.d. §§ 18 bis 21
EuGVVO a.F. sind (für Streitigkeiten seit dem 10.1.2015: Art. 19 bis 22 EuGVVO
n.F.). Das LAG Düsseldorf prüft diese Frage am Maßstab des autonom
auszulegenden Begriffs des Arbeitnehmers und verneint sie mit dem Argument,
dass – mangels eines arbeitsrechtlichen Weisungsrechts – der erforderliche Grad
an Abhängigkeit nicht gegeben ist. Ebenso sieht es keinen Raum für eine analoge
Anwendung der §§ 18 bis 21 EuGVVO a.F. auf Selbständige, die wirtschaftlich
abhängig und ebenso schutzbedürftig wie Arbeitnehmer sind (arbeitnehmerähnliche
Personen). Im Lichte der jüngeren Rechtsprechung des EuGH (Danosa, FNV Kunsten
Informatie en Media, Balkaya) ist
diese Auffassung im Ergebnis angreifbar. Der Grund dafür liegt darin, dass der
EuGH den unionsrechtlichen Begriff des Arbeitnehmers viel weiter versteht als
mitgliedstaatliche Pendants. Ist dem so, erscheint es nicht ausgeschlossen,
arbeitnehmerähnliche Personen, wie den klagenden Einfirmen-Vertreter, im
Einzelfall als unionsrechtliche Arbeitnehmer zu begreifen und den
verfahrensrechtlichen Schutz der §§ 18 bis 21 EuGVVO a.F. zugute kommen zu
lassen. Insgesamt ist diese wichtige Problematik dem EuGH zur Vorabentscheidung
vorzulegen. |
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M. Fornasier:
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Die Ausweichklausel im europäischen Arbeitskollisionsrecht (EuGH, S. 556) |
517 |
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In der Entscheidung des LAG Düsseldorf geht es um die Frage, ob und
unter welchen Voraussetzungen Handelsvertreter Arbeitnehmer i.S.d. §§ 18 bis 21
EuGVVO a.F. sind (für Streitigkeiten seit dem 10.1.2015: Art. 19 bis 22 EuGVVO
n.F.). Das LAG Düsseldorf prüft diese Frage am Maßstab des autonom
auszulegenden Begriffs des Arbeitnehmers und verneint sie mit dem Argument,
dass – mangels eines arbeitsrechtlichen Weisungsrechts – der erforderliche Grad
an Abhängigkeit nicht gegeben ist. Ebenso sieht es keinen Raum für eine analoge
Anwendung der §§ 18 bis 21 EuGVVO a.F. auf Selbständige, die wirtschaftlich
abhängig und ebenso schutzbedürftig wie Arbeitnehmer sind (arbeitnehmerähnliche
Personen). Im Lichte der jüngeren Rechtsprechung des EuGH (Danosa, FNV Kunsten Informatie
en Media, Balkaya) ist diese
Auffassung im Ergebnis angreifbar. Der Grund dafür liegt darin, dass der EuGH
den unionsrechtlichen Begriff des Arbeitnehmers viel weiter versteht als
mitgliedstaatliche Pendants. Ist dem so, erscheint es nicht ausgeschlossen,
arbeitnehmerähnliche Personen, wie den klagenden Einfirmen-Vertreter, im
Einzelfall als unionsrechtliche Arbeitnehmer zu begreifen und den
verfahrensrechtlichen Schutz der §§ 18 bis 21 EuGVVO a.F. zugute kommen zu
lassen. Insgesamt ist diese wichtige Problematik dem EuGH zur Vorabentscheidung
vorzulegen. |
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J. Schilling:
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Die kollisionsrechtliche Anknüpfung von internationalen Speditionsverträgen (EuGH, S. 559) |
522 |
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Nachdem der EuGH in seiner ICF-Entscheidung zu den Charterverträgen
bereits geäußert hatte, bezieht er nun zur kollisionsrechtlichen Einordnung von
Speditionsverträgen Stellung. In seiner Haeger
& Schmidt-Entscheidung stellt er ausdrücklich klar, dass solche
Verträge, die ausschließlich organisatorische Pflichten umfassen, nicht als
Güterbeförderungsverträge im Sinne von Art. 4 Abs. 4 EVÜ bzw. Art. 5 Abs. 1 Rom
I-VO angesehen werden können. Laut EuGH fällt ein Speditionsvertrag aber dann
in den Anwendungsbereich der besonderen Kollisionsnorm für Transportverträge,
wenn sein Hauptgegenstand in der Güterbeförderung im eigentlichen Sinn liegt.
Dies kommt namentlich beim Selbsteintritt des Spediteurs oder im Falle der
Fixkostenspedition in Betracht. Die Qualifikationsentscheidung wird vor allem
im Rahmen der Rom I-Verordnung relevant, weil darin die Unterschiede zwischen
dem allgemeinen Anknüpfungsregime und jenem für Güterbeförderungsverträge
stärker ausgeprägt sind als noch im EVÜ. Bedeutsam ist die jüngste Entscheidung
des EuGH auch deshalb, weil das materielle Einheitstransportrechtsrecht auf
Speditionsverträge grundsätzlich keine Anwendung findet, sodass es insoweit
allein das Kollisionsrecht maßgeblich ist. |
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J. Hoffmann:
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Aufklärungspflichten bei Formularverträgen mit Sprachunkundigen (BAG, S. 562) |
528 |
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Das BAG hat sich in dem zu besprechenden Urteil mit der Wirksamkeit des
Abschlusses eines deutschsprachigen Formularvertrags mit einem sprachunkundigen
Arbeitnehmer befasst. Obwohl weder der Vertragsschluss selbst noch Einbeziehung
und Wirksamkeit der AGB durch das fehlende Sprachverständnis in Frage gestellt
werden, sollte dem Informationsungleichgewicht durch die Anerkennung einer
vorvertraglichen Aufklärungspflicht über den Vertragsinhalt im Einzelfall begegnet
werden. Eine solche ist insbesondere anzuerkennen, wenn die vorvertraglichen
Verhandlungen in einer anderen Sprache als der Vertragssprache geführt worden
waren. Sie kann ferner nachvertraglich aufgrund der Fürsorgepflicht des
Arbeitgebers bei Fortbestehen des Sprachdefizits zu billigen sein. |
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M. Zwickel:
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Der Anscheinsbeweis zwischen lex causae und lex fori im Bereich des französischen Straßenverkehrshaftungsrechts (Loi Badinter) (LG Saarbrücken, S. 567) |
531 |
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Die Entscheidung des LG Saarbrücken, die in Sachen „wirksame
Klagezustellung an den Schadensregulierungsbeauftragten einer ausländischen
Versicherung” schon einmal Anlass zu einem Vorabentscheidungsverfahren beim
EuGH gegeben hatte, betrifft die Frage der Nutzbarkeit des deutschen
Anscheinsbeweises in einem nach französischem Sachrecht zu lösenden
Sachverhalt. Die Rechtsprechung der französischen Cour de Cassation lässt i.R.d. Straßenverkehrshaftung keine
Beweiserleichterungen zu. Die – entgegen dem Sachrecht – erfolgte Heranziehung
des Anscheinsbeweises führt damit potentiell zu einem Auseinanderklaffen von
prozessualem und materiellem Recht. Die Entscheidung macht damit besonders
deutlich, dass der Anscheinsbeweis inner- und außerhalb des Geltungsbereiches
des Art. 22 Abs. 1 Rom-II-VO sinnvoll nur nach der lex causae behandelt werden kann. |
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M. Stürner:
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Vollstreckbarerklärung einer englischen Third Party Costs Order (BGH, S. 569) |
535 |
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Der BGH hatte sich mit dem Antrag auf Vollstreckbarerklärung einer Third
Party Costs Order des englischen High Court zu befassen, die im Zusammenhang
mit einem Insolvenzverfahren ergangen war. Der Senat ließ die Frage offen, ob
die Entscheidung in den Anwendungsbereich der EuGVVO oder der EuInsVO falle, da
beide Verordnungen lückenlos ineinandergriffen und überdies identische
Anerkennungsversagungsgründe enthielten. Die Third Party Costs Order verletze
weder als solche, noch hinsichtlich der Höhe der zugesprochenen Kosten den
deutschen ordre public. Der Autor stimmt dem im Ergebnis zu. |
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H. Roth:
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Vollstreckungsabwehrklage und Aufrechnung (BGH, S. 571) |
538 |
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Die ausschließliche Zuständigkeit des Art. 22 Nr. 5 LugÜ umfasst auch
die Vollstreckungsabwehrklage des § 767 ZPO, weil sie mit dem
Vollstreckungsverfahren in engem Zusammenhang steht. Die Anwendbarkeit des §
767 ZPO hängt entgegen der Auffassung des BGH nicht davon ab, ob für die
aufgerechnete Gegenforderung im Falle ihrer selbstständigen Geltendmachung die
internationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts gegeben wäre. Auch für
die Aufrechnung bleibt der Grundsatz maßgebend, dass das Gericht im Wege der
Verteidigung vorgebrachte Vorfragen ohne zuständigkeitsrechtliche
Einschränkungen beurteilen kann. |
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