Heft 3/2025 (Mai 2025)
Aktuelles Heft (zum Probeabo)
Abhandlungen
M. F. Müller-Berg:
|
Die Auswirkungen der neuen Produkthaftungsrichtlinie auf die internationale Produkthaftung | 221 |
Die Begriffe des Schadens, des Inverkehrbringens und der geschädigten Person in Art. 5 Rom II-VO sind kollisionsrechtsautonom auszulegen. Entsprechende Änderungen der PHRL 2024 wirken sich daher im Kollisionsrecht nicht aus. Für Produkt und Haftungsadressaten ist dagegen ein Auslegungszusammenhang zwischen materiellem und internationalem Produkthaftungsrecht anzuerkennen. Die partielle Ausdehnung des Produktbegriffs in den Bereich der digitalen Dienstleistungen und Informationen führt zu einer konstitutiven Ausdehnung des Anknüpfungsgegenstands des Art. 5 Rom II-VO zulasten von Art. 4 Rom II-VO. Die damit einhergehende Erweiterung des Begriffsumfangs des (Teil-)Herstellers sowie die Erstreckung auf Bevollmächtigte des Herstellers, „Quasi-Importeure“ und „Quasi-Händler“ des e-Commerce ist kollisionsrechtlich ebenso zu berücksichtigen. Je nach dem zu Art. 5 Rom II-VO eingenommenen Ausgangspunkt führt dies nur zu einem weiteren Wegfall des mitgliedstaatlichen Qualifikationsspielraums oder zu einer weiteren unmittelbaren Verschiebung des Anknüpfungsgegenstands zulasten der Grundsatzanknüpfung. |
Entscheidungsrezensionen
N. C. Kranzhöfer:
|
Drittwirkung einer Gerichtsstandsvereinbarung in einem Konnossement kraft materiell-rechtlicher Rechtsnachfolge | 231 |
Der EuGH hatte zu entscheiden, ob eine Gerichtsstandsklausel, die in einem Konnossement enthalten ist, dem Warenempfänger entgegengehalten werden kann, wenn dieser nach dem anwendbaren nationalem Recht durch Übergabe des Konnossements in die Rechte- und Pflichtenstellung des Befrachters eingetreten ist. Der Gerichtshof konnte dabei auf seine in der Rechtssache Tilly Russ begründete Judikatur zurückgreifen, musste aber auch einige Fragen beantworten, die durch seine inkonsistente Rechtsprechung der letzten Jahre, insbesondere das Urteil in der Rechtssache Delayfix, aufgeworfen worden waren. Er verwirft die im Tenor dieser Entscheidung formulierte Kollisionsregel, der zufolge auf die materiell-rechtliche Rechtsnachfolge, die im Rahmen der Drittwirkung der Gerichtsstandsvereinbarung als Vorfrage zu prüfen ist, die lex fori prorogati anzuwenden sei. Vielmehr kehrt der EuGH zu seiner vorherigen Rechtsprechung zurück, der zufolge das anwendbare Recht nach Maßgabe des Kollisionsrechts des Forumstaats zu ermitteln ist. Zudem erklärt er nationale Rechtsvorschriften, die trotz materiell-rechtlich vollständiger Rechtsnachfolge des Warenempfängers dessen Bindung an die im Konnossement enthaltene Gerichtsstandsklausel von weiteren Voraussetzungen abhängig machen, für unionsrechtswidrig. |
||
R. A. Schütze:
|
Zur Prozesskostensicherheit singapurischer Kläger nach § 110 ZPO unter dem HGÜ | 239 |
Das OLG Köln hat die Befreiung eines in Singapur residenten Klägers unter dem HGÜ nach § 110 Abs. 2 Nr.2 ZPO abgelehnt, weil es Begriffe des Übereinkommens aus der ZPO interpretiert hat. Damit hat es eine Grundregel der Auslegung internationale Übereinkommen missachtet. Die Kölner Entscheidung weicht so von einer früheren Entscheidung des OGH zur insoweit entsprechen Norm des § 57 Abs. 2 Nr 1a öZPO ab, für die dieser eine Befreiung von der Prozesskostenkation für in Singapur residente Kläger vor österreichischen Gerichten nach dem HGÜ angenommen hat. |
||
F. Hess:
|
Keine anti-suit injunction zur Verhinderung der Vollstreckung eines ICSID-Schiedsspruchs in Drittstaaten | 242 |
Mit Urteil vom 12.4.2024 wies das LG Essen eine auf den Erlass einer anti-suit bzw. anti-enforcement injunction gerichtete Klage zur Verhinderung der Vollstreckung eines innerhalb der EU nicht vollstreckbaren ICSID-Schiedsspruchs in den Vereinigten Staaten ab. Die Klage sei bereits unzulässig. Es sei nicht die Aufgabe eines deutschen Gerichts, sicherzustellen, dass ein unionsrechtswidriger Schiedsspruch nicht in Drittstaaten vollstreckt werde. Zudem könne das Unionsrecht nicht durch den Erlass einer anti-suit injunction, welche mit der Achtung der Souveränität von Drittstaaten unvereinbar und deshalb ihrerseits unionsrechtswidrig sei, gewahrt werden. Auch in der Sache sei die Klage unbegründet. Nach dem anwendbaren spanischen Recht und bei unterstellter Anwendung deutschen Rechts bestehe kein Anspruch auf Unterlassung der Vollstreckung des Schiedsspruchs in den Vereinigten Staaten. Der Beitrag untersucht zunächst das Verhältnis der EuGVVO zur Schiedsgerichtsbarkeit und die Einordnung von anti-enforcement injunctions zur Verhinderung der Vollstreckung von Schiedssprüchen. Der Autor stimmt den Ausführungen des LG Essen zum fehlenden Rechtsschutzbedürfnis zu und legt dar, dass Anträge auf Unterlassung der Prozessführung vor ausländischen Gerichten grundsätzlich unzulässig sind. Eine Ausnahmekonstellation ist nicht gegeben. Ferner wird erörtert, dass nicht spanisches, sondern US-amerikanisches Recht anwendbar sein dürfte. |
||
A. Schulz:
|
Jahresfrist und Einleben bei Entscheidungen nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen | 248 |
Das OLG Stuttgart entschied, dass es, wenn ein Kind zunächst in einem Staat widerrechtlich zurückgehalten und anschließend ohne Einverständnis des zurückgelassenen Elternteils in mehrere andere Staaten verbracht wird, auch in dem Staat, in dem es sich am Ende aufhält, für den Beginn der Jahresfrist nach Art. 12 Abs. 2 HKÜ auf die erste widerrechtliche Handlung – hier das Zurückhalten – ankommt. Mit einer im Vordringen befindlichen neueren Literaturmeinung bejahte das OLG Stuttgart jedoch sein Ermessen, die Rückführung des Kindes selbst dann anzuordnen, wenn die Jahresfrist abgelaufen ist und es sich in seinem jetzigen Aufenthaltsstaat eingelebt hätte. Dies stützte es auf einen Erst-recht-Schluss im Vergleich mit Art. 13 Abs. 1 lit. b) HKÜ und auf das Verhalten der entführenden Kindesmutter, die bereits eine rumänische Rückführungsentscheidung ignoriert und erklärt hatte, sie lasse sich von Gerichten nicht ihren Aufenthaltsstaat und den des Kindes vorschreiben.
|
||
C. Uhlmann:
|
Der unauffindbare Beklagte im Internationalen Zivilverfahrensrecht – Möglichkeiten und Grenzen des Unionsrechts | 253 |
Gegenstand der Entscheidung in der Rechtssache Credit Agricole Bank Polska war die Frage, ob sich bei einem potentiellen grenzüberschreitenden Bezug die Internationale Zuständigkeit nach der EuGVVO oder nach nationalem Verfahrensrecht bestimmt, wenn der gegenwärtige Wohnsitz des Beklagten nicht lokalisiert werden kann. Der EuGH kam zu dem Ergebnis, dass auch in Konstellationen, in denen der Beklagte Drittstaatenangehöriger und Verbraucher ist, die Internationale Zuständigkeit nach Art. 18 Abs. 2 EuGVVO am letzten bekannten Wohnsitz zu verorten ist, solange keine beweiskräftigen Indizien vorliegen, dass der Beklagte seinen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat oder einem Drittstaat hat. In der Entscheidung „Toplofikatsia Sofia“ EAD befasste sich der EuGH mit im Hinblick auf die eigenen Staatsangehörigen getroffenen mitgliedstaatlichen Regelungen, die das Ziel verfolgen, einen permanenten inländischen Wohnsitz sicherzustellen. Der EuGH erklärte entsprechende Regelungen für unionsrechtswidrig; die Internationale Zuständigkeit richtet sich ausschließlich nach der EuGVVO, sobald plausible Anhaltspunkte bestehen, dass der Beklagte seinen Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat hat. Der Autor stimmt dem EuGH im Ergebnis zu, obgleich dessen Argumentation nicht immer überzeugen kann. |
Rezensierte Entscheidungen
|
(s. Seite III) | 262 |
Blick in das Ausland
J. Samtleben:
|
Das Internationale Verfahrensrecht im Nationalen Zivil- und Familienprozessgesetzbuch | 296 |
Am 7. Juni 2023 wurde im mexikanischen Gesetzblatt ein einheitliches Zivil- und Familienprozessgesetzbuch für den gesamten mexikanischen Staat verkündet, das bis zum 1. April 2027 im Bund und den Einzelstaaten in Kraft gesetzt werden und die entsprechenden verfahrensrechtlichen Gesetze ablösen soll. Es enthält in seinem Zehnten Buch einen ausführlichen Katalog des Internationalen Verfahrensrechts, der sich teils an überkommenen Regelungen orientiert, aber für viele Bereiche eine neue detaillierte rechtliche Grundlage schafft. Erstmals wird darin die internationale Zuständigkeit der mexikanischen Gerichte ausdrücklich geregelt. Auch die Anwendung ausländischen Rechts hat eine ausführliche Regelung erfahren. Unter den Vorschriften über die internationale prozessuale Zusammenarbeit ist besonders die Vollstreckung von ausländischen Sicherungsmaßnahmen und der Einsatz von Videokonferenzen hervorzuheben. Für die Vollstreckung ausländischer Urteile bedarf es wie bisher eines Rechtshilfeersuchens des ausländischen Gerichts. |
Internationale Abkommen
|
308 |
Schriftumshinweise
|
309 |
Neueste Informationen
|
II, IV ff. |